Mittwoch, 27. Februar 2013

Das "letzte-Reihe-Phänomen"

Jeder kennt das. Egal, zu welcher Tages-oder-Nachtzeit man einen Bus besteigt, man entdeckt sie immer: Die Deppen in der letzten Reihe.

Nicht zu verwechseln mit den "Lümmeln von der ersten Bank", dieser Reihe deutscher Schul-Komödien aus den 60ern/70ern, die meine Eltern mich fahrlässigerweise damals anschauen liessen und deren Hauptfigur "Pepe Nietnagel", gespielt von Hansi Kraus, zu einem meiner Idole der früheren Kindheit wurde. Neben Daniel Düsentrieb und erst abgelöst von David Hasselhoff (...ich weiß...) und zum Glück recht schnell darauf von Kurt Cobain, James Hetfield und Trent Reznor.

Die Deppen in der letzten Reihe fallen mir seit langem auf, das ist keine neue Geschichte, seit Jahren seh ich sie dort hocken, ganz hinten vor der Heckscheibe, stolz wie Oskar. Aber stolz auf was?

In den letzten Jahren habe ich einige immer wiederkehrende Merkmale bei den "Deppen aus der letzten Reihe" festgestellt:

- Zu ~75% männliche Jugendliche - Von den verbleibenden ~25% handelt es sich zumeist um weibliche Jugendliche (von denen wiederum 50% wie männliche Jugendliche aussehen)

Ab hier muss unterschieden werden.
Männlich:

- Basecap, gern rückwärts getragen

- Rucksack wird über nur einer Schulter getragen

- weite Hosen, gern mit Aufschrift auf dem Heck(G-STAR RAW)...,gern auch Trainings/-Jogginghosen

- treten nie in Gruppen von mehr als dreien auf, denn:
- zwischen dem Kumpel/Bruda/etc bleibt mindestens ein Platz frei, ansonsten können die Arme nicht ohne "Bruda"-Kontakt auf den Rückenlehnen platziert werden. Zu dritt kann man eine durchschnittlich fünfsitzige Rückbank so gut besetzen...zu zweit geht es besser.
- Im vom Bruder wegweisenden Ohr steckt natürlich noch der Stecker, über den dem Organismus die nötige Portion "Black Music" zugeführt wird. Chris Brown, Frank Ocean, Drake etc...

Weiblich: - Gern weite Jogginghose, gern kompakt gebaut, selten Basecap, häufiger Kapuze.

- Handy am Ohr/in der Hand:

• wenn am Ohr, dann so laut sprechend, daß der komplette Bus mithören kann; meistbenutzte Worte: "Süße", "bitch", "'schwör!'"
• wenn in der Hand, dann schmatzend Kaugummi kauend, ab und an Kontrollblicke aussendend, sollte jemand versehentlich den Blick erwiedern "Was guckstu so!"/"Was willst du?"/"Eyh, isch ficke disch!" brüllend.

- Kleidung obenrum gern pink/rosa, ein Schelm, wer da jetzt "Cindy aus Marzahn" ins Spiel bringt

- Wichtig: Die "Schlampenwarze", ergo das Piercing links/rechts über der Oberlippe. Auch das selten gewordene Arschgeweih kann einem hier begegnen und Sechzehnenderausmaße annehmen...

- Über Satzfetzen wie "...ja Nancy, der neue Pimkie ist supi!" oder "...schwör, der Kevin und isch, wir sind schwanger! Schwôr Süße, eyh isch nenn die Kleine Samantha-Jaqueline." sollte man sich nicht wundern.

Damals, als ich ein Schuljunge war und so sein wollte wie "Pepe Nietnagel" (was immer nur Strafarbeiten nach sich zog), da gab es keine Deppen von der letzten Bank. Vielleicht ist das ein Großstadtphänomen. Woher es kommt und was es bezweckt... ich hab keine Ahnung. Aber allemal ist es interessant.

Damals bei uns im Schulbus...das waren noch Zeiten. Anarchie. Spuckekugeln flogen, Pausenbrote wurden geklaut, Schnürsenkel zusammengeknotet...und ich mittendrin mit "Pepe Nietnagels" Tricks und Streichen.

Dann doch lieber die Deppen von heute. Die hocken da ganz hinten und tun eigentlich keinem was. Nerven halt nur. Optisch und akustisch. Gibt Schlimmeres. Denk ich mir ab jetzt und denk dann an die allmorgendliche Fahrt zur Schule. Schüttel mich dann einmal und dann ist's gut.

Sollen die da eben hocken, immer, ständig, letzte Reihe, ist eben so. Zumindest schießen sie keine Spuckekugeln herum, sowas gibt's heut nicht mehr. Ist das jetzt gut oder schlecht..?

1 Kommentar:

  1. Ein gutes hat England schon - wer sich im Bus nicht benimmt, fliegt raus...
    "schwör" ist klasse!!!

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