Dienstag, 19. Februar 2013

Die lieben Vorurteile

Viele sind's, so acht oder neun bestimmt. Alle straßengangmäßig "uniformiert". Blau/weiße College-Jacke, baggy pants, die meisten kahl rasiert und nochmal drüber poliert, dicke Ketten um den Hals und ins Studio zum Pumpen gehen sie wohl alle, da ist keiner unter 90 Kilo dabei und das meiste davon ist reine Muskelmasse.

Ein paar Satzfetzen schallen rüber..."Doooch Bruder, schwör, ich hab den weg gemacht, Inshallah!"..."Alder, was? Klar hab ich die gehabt, was los, normal! Schlampe eyh!"..."Bruder, guter Deal, guter Stoff! Da geht mehr!"

Echte Sympathen.

Einer davon steigt in meinen Bus ein, die Verabschiedungszeremonie dauert ewig, jeder "Bruda" wird links/rechts geküsst, darauf folgen nicht enden wollende Ghetto-Handschläge, bei denen ich mir die Finger brechen würde. Der Busfahrer, ein älterer, sehr freundlicher Afrikaner, sitzt das aus, ich hab das Gefühl, er hat Angst, den Gang-Typen stehen zu lassen.

Schließlich steigt der ein und wir fahren ab. Er steht vor mir, ich starre auf seinen kahlen polierten Hinterkopf. Der ist tätowiert. "TNF" steht da. Was mag das heißen? Das Kürzel ist mir noch nie begegnet, nicht als Tag an ner Wand im Viertel, nicht in den regionalen Medien, die zuletzt öfter mal über diverse (Jugend-)Gangs berichteten, dies nie in positivem Zusammenhang.

"TNF", was mag das heißen? "The New Fuckheads"? Ja, das find ich logisch, so rein optisch und vom Verhalten her...so wird's sein!

Meine Haltestelle. "Tschuldigung, ich muss raus!" teile ich der Tattoo-Glatze mit, bekomme ein gerauntes "Ich auch" zur Antwort. Da kommt Freude auf.

Die Rücklichter des Busses verschwinden am Ende der Straße und mir legt sich eine Pranke auf die Schulter. "Scheiße, was will der denn jetzt? Handy? Bares? Beides?? Soll ich rennen?" denk ich, entscheide mich aber, der Konfrontation ins Auge zu blicken, Untergang mit wehender Flagge quasi und drehe mich um.

"Entschuldigen Sie bitte, ich möchte nicht stören, aber ich bin neu in der Stadt. Wie komm ich denn bitte zur XYZ-Straße?"

Einen ungläubigen Blick und ein gestammeltes "Äääh, da hinten links!" später wird mir freudestrahlend ein "wunderschöner Abend" gewünscht und nach einem "Ich danke Ihnen vielmals!" zischt er ab in die beschriebene Richtung, im Licht der Straßenlaterne kann ich noch ein Mal das Tattoo lesen. "TNF". Würd mich wirklich interessieren, wofür das steht. Man weiß es nicht.

Ach, schön, Vorurteile, lieb ich ja! Diesmal haben sie mich voll erwischt. Da werd ich mal draus lernen. Bis morgen.

2 Kommentare:

  1. Ich weiß zwar nicht, was TNF heißt, aber du hättest ihn bei der Gelegenheit doch fragen können.

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    1. Auf die Idee bin ich Schussel in dem Moment leider nicht drauf gekommen...das wäre zu einfach gewesen, sowas kann ich nicht :/

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