Donnerstag, 28. März 2013

I am heresy

"Wie geil, mit dem Schiff zum Konzert fahren, das hat was! Hamburg ist nicht immer doof!" denk ich mir, als ich die Hadag-Fähre verlasse, das in der Jackentasche versteckte halbleere Astra heraus hole, durfte auf der Fähre ja keiner sehen, Alk-Verbot im ÖPNV und so, und dann die paar Meter zum Hafenklang laufe, wo der Sänger meiner Lieblingsband heut mit seinem Nebenprojekt, seiner neuesten Band, spielt. Pflichttermin.

Vorm Laden noch kurz das Bier leeren, ich friere, ich leide, der eisige Wind pfeift mir um die Ohren, die Bierhaltehand friert so allmählich ein, denn Handschuhe habe ich wie immer zuhaus vergessen, wozu besitz ich eigentlich welche?

Die Körpertemperatur ist auf etwa 36 Grad gefallen, ich muss rein. Diesmal nicht wie sonst zum Punkerstammtisch in den ersten Stock, heut bleiben wir ebenerdig. Ein kleiner enger Laden, ich war hier mal auf ner Electro-Party, die war maximal "ok"...mal sehen, wie die nachher das Gitarren-/Bass-Gebretter rüberbringen.

Es ist duster und ich taue auf. Schaue mich um. Die Gesichter, die man sonst auf jedem Konzert von Lieblingssängers Bands sieht, die fehlen heute. "I am heresy" ist noch nicht "in", das ist gut so, je bekannter eine Band, desto bescheidener das Klientel und mit wachsender Anzahl der Zuschauer schwindet im Normalfall auch die Qualität des Konzerts, da fehlt dann die Intimität. Und die ist essentiell bei Konzerten, die gibts nicht bei Justin Bieber oder Rihanna wenn die in Stadien spielen mit Feuerwerk und Choreographen für Outfit und Auftritt und so.

Auftritt "Hierophant", Supportband, normalerweise verpasse ich Supportbands absichtlich, meist sind sie Quatsch. Heut verpasse ich den Support nicht. Die Jungs kommen auf die winzige Bühne und ohne jegliche Ansage wird losgebrettert, als gäbs kein morgen mehr. Krank! Das Schlagzeugstakkato vermöbelt mich, die Bässe gehen tief in den Magen, der etwa 1,65 große Frontmann holt Töne aus sich raus, das glaubt man nicht. Diese Band ist ein außer Kontrolle geratener Bus und ich bin der, der sich ihm todesmutig gegenüber stellt und dann überrollt wird.

Hierophant - Son of a tongues prison

Am Ende des 25minütigen Auftritts schmerzen mir die Ohren, der Adrenalinspiegel ist am Maximum und alles andere als nicht her zu kommen wäre die falsche Entscheidung gewesen.

Auftritt "I am heresy". Lustige Kombination, da stehen Vater und Sohn zusammen mit vier anderen Musikern auf der Bühne, Vater brüllt und singt, Sohnemann schreddert auf der Gitarre, der Rest der Jungs massakriert Bass und Drums, das Endprodukt ist wahnsinnig gut!

I am heresy - Seven wolves and the daughters of the apocalypse

Tragisch ist nur, was vor der Bühne passiert. Oder besser: was nicht passiert. Ich bin der einzige, der sich bewegt abgesehen von einem blonden Schlacks im Deftones-Shirt, was immerhin schonmal Musikgeschmack beweist und einer Tussi mit Dutt, die an sich ganz hübsch ist, dafür aber mit ihrem Arschgewackel à la Beyonce nervt, denn das passt hierher wie eine Massenkarambolage in den Osterurlaubsverkehr. Ansonsten um mich rum Stillstand, maximal wird mit dem Kopf genickt oder auf und ab gewippt, als wär das hier fucking Rihanna. Ich kapier sowas nicht. Ich hab sogar Beschwerden gehôrt. Es sei zu laut. Sagt der Raúl-Richter-Verschnitt neben mir und schaut empört. Zu laut. Bei nem Konzert einer Band, die Hardcore/Metalcore oder nenn es, wie du willst, spielt. Die war natürlich nicht zu erahnen, die Lautstärke. Mein Gott...

Ein verdammtes Monster von Konzert. Zwar nur maximal 100 Zuhörer, aber je weniger Leute, desto intensiver der Gig.

Ansage. "This is our last song! I'll get off this stage, it's crowded up here." Der liebste Musiker steigt von der Bühne, was nicht schwer ist, die ist ja nur einen halben Meter hoch. "This is our last song! Sing along!" brüllt er nochmal ins Mikro, rennt zu mir rüber, "Buddy, let's do this together!"...man kennt sich halt seit Jahren...

I am heresy - I am heresy

Zwei Tage später konnte ich dann auch wieder sprechen, inzwischen ist auch der Muskelkater in der Nackenregion abgeklungen und das Piepen in den Ohren ist auch Vergangenheit.

Ich vermiss es ein wenig...

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