Sonntag, 17. März 2013

Stalker

Heute hat ein ehemaliger Schulfreund Geburtstag sagt der Reminder meines Handys. Normalerweise wär mir das vollkommen egal, aber man ist lange zwei Jahre in einer Mitfahrgelegenheit zusammen zur Schule gefahren, man stand sich immer recht nah (sagt meine Mutter), er hat mich mal in Geschichte abschreiben lassen und außerdem ist man bei Facebook "befreundet".

Also ist eine Gratulation angesagt, denn "das macht man so". Sagt eine Freundin. Mit dem gleichen Totschlag-Argument hat sie mich auch schon zu sonntäglichen Spaziergängen (Sonntage sind Bett-Tage!!) überredet. Oder dazu, Bio-Eier zum Frühstück zu kaufen. "Das macht man so!" Weiber...

Also habe ich total motiviert auf die Facebook-Seite meines Schulfreundes, den ich seit locker sechs Jahren weder gesehen noch mit ihm gesprochen oder bei Facebook geschrieben habe (da hat er mich erst vor zwei Jahren gefunden, meine Tarnung war leider unsicher), geklickt, um dort Standardphrasen zu hinterlassen.

Mach ich ja ungern. Nicht Standardphrasen verschicken sondern Geburtstagsglückwünsche. Generell kann ich Geburtstage nicht leiden und hab noch nie einen von meinen groß gefeiert. Maximal lad ich Freunde auf ein Getränk ein, das war's. Das ganze Brimborium brauch ich nicht.

Ich tippe also wahllos etwas gut klingendes auf die Facebook-"Pinnwand" meines Schulfreundes, meine das auch ernst, "hab einen tollen Tag und lass dich feiern", das schreib ich aber immer und fast jedem, weil mir sonst partout nichts einfällt. Auch bei engen Freunden nicht. Soviel zum Thema "keine Standardphrasen"...

Fertig getippt, abgesendet, was nun? Facebook bietet ja einen Haufen Möglichkeiten, also checke ich die Freundesliste. Mit welchen meiner ehemaligen Jahrgangsmitschüler mag er wohl in Kontakt stehen? Was ist aus denen geworden?...Interessiert mich das? Ich entdecke viele bekannte Gesichter.

Da ist A., in die ich lange heimlich verknallt war, sie ist immer noch mit ihrem Kerl von damals zusammen, hat nun drei Kinder, sieht immer noch toll aus und scheint glücklich zu sein. Find ich klasse!

Da sind F. und C., damals Muskelprotze, die mich gern mal im Supermarkt neben der Schule ins TK-Fach verfrachteten (daraufhin bekam ich dort Hausverbot) oder mich auch gern mal kurz vor Anfang des gemeinsamen Kurses im schuleigenen Turm einsperrten, der innen keine Türgriffe hatte...dann durfte ich den langen Weg runter, über den Schulhof, rein ins Gebäude und wieder hoch in den dritten Stock laufen und kam so quasi immer zu spät. Heutzutage nennt man sowas wohl Mobbing, damals gabs kein Mobbing, da hieß das "Talk im Turm" (in Anspielung auf eine Talk-Show, die damals recht bekannt war). Ein Wortspiel, ein gutes, das geb ich zu. "Talk"="Thorge" (das "e" bei meinem Namen einfach weg lassen...) und der Turm war halt eben Teil unserer Schule, die war ehemals ein Kloster und sehr verwinkelt. Dieses Spiel haben F. und C. gern gemacht. Hab mir dann ihre Profile auf Facebook angesehen...und musste schadenfroh grinsen. Mehr sag ich nicht. Datenschutz, Persönlichkeitsrechte, bla. Aber es ist schon sensationell, was so mancher öffentlich postet...Idioten! Schon damals, jetzt immer noch.

Da ist T., die war damals ein halbes Jahr als Model weltweit unterwegs mit ihrer Magersucht, jetzt ist sie Hausfrau irgendwo im Nichts. Da ist N., die hat ihr Abi mit 1,0 gemacht, das Studium auswärts in Süddeutschland hat sie nicht verkraftet. Endstation Klappse, jetzt fährt sie Pizzen aus.

"Eigenes Profil". Klick. Genug gestalkt. Einiges gelernt. Bisschen gelacht, bisschen in Erinnerungen versunken, bisschen an den Erinnerungen verschluckt, gehustet, ausgespuckt, gepaddelt, oben geblieben.

Was hab ich gelernt? Scheiß auf Facebook! Und möge Herr D. einen tollen Tag haben! Da irgendwo im nirgendwo! Herzlichen Glückwunsch!

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